Corporate-Design-Projekte: Briefing und Rebriefing
Lange bevor es für Designerinnen und Designer darum geht, kreative Lösungen zu entwickeln, müssen erst einmal Anforderungen formuliert und ein gutes Allgemeinverständnis für die aktuelle Situation und Zukunftsvision erreicht werden. UX- und Marken-Designerin sowie Buchautorin Désirée Berger erklärt Ihnen in diesem Artikel, worauf es beim Briefing und Rebriefing eines Corporate-Design-Projekts ankommt.
Corporate-Design-Projekte: Briefing und Rebriefing
Lange bevor es für Designerinnen und Designer darum geht, kreative Lösungen zu entwickeln, müssen erst einmal Anforderungen formuliert und ein gutes Allgemeinverständnis für die aktuelle Situation und Zukunftsvision erreicht werden. UX- und Marken-Designerin sowie Autorin Désirée Berger erklärt Ihnen in diesem Artikel aus ihrem Buch, worauf es beim Briefing und Rebriefing eines Corporate-Design-Projekts ankommt.
Grundlegendes
Jedes Corporate-Design-Projekt besteht aus mehreren Phasen, die nicht alle allein kreative Arbeit erfordern. Das Zusammentragen von Daten und Fakten, von Anforderungen und Problemstellungen, von bisherigen Lösungen und Details, Abläufen und das Kennenlernen von Zusammenhängen, Beteiligten und Entscheidungsträgern innerhalb eines Unternehmens sind Teil der Vorbereitungen für das Corporate Design.
Mit dem Prozess der Analyse, Ideenfindung und Konzepterstellung innerhalb des Designprozesses wird der Grundstein für die spätere Umsetzung gelegt. Die Sachverhalte und Probleme des beauftragenden Unternehmens genau zu verstehen ist wichtig, um dann eine optimale Lösung zu finden. Erst durch die genaue Analyse und das Verständnis für die Zusammenhänge und Hintergründe entsteht ein gutes Bild des Unternehmens und der eigentlichen Aufgabenstellung.
Das Briefing als Auftakt eines Projektes
Zum Start eines jeden Projekts gehört ein gutes Briefing, denn ein erfolgreiches Corporate-Design-Projekt kann nur mit einer soliden Abstimmung gelingen.
Das Briefing selbst ist eigentlich lediglich eine kurze Zusammenfassung aller vorliegenden Informationen, und doch ist es so viel mehr. Heute ist es nicht mehr üblich, die Inhalte eines Briefings nur in Form eines Gesprächs am gemeinsamen Tisch oder gar am Telefon zusammenzutragen. Stattdessen hat das Briefing im Designprozess wieder eine größere Bedeutung bekommen.
Um die Anforderungen an das Projekt optimal verstehen zu können, gibt es abgesehen vom einfachen Austausch weitere Möglichkeiten, relevanten Inhalte zu erfragen – beispielsweise können Workshops veranstaltet werden, um der Problemstellung näher zu kommen.
Désirée Berger
Désirée Berger ist Expertin für zukunftsorientiertes, digitales Design. Als UX-Designerin konzentriert sie sich auf die Erstellung von datenbasierten und nutzerorientierten Designs und Produkten. Mit einer deutlichen Leidenschaft für technologische Entwicklungen untersucht sie derzeit das transformative Potenzial von generativer KI im UX-Design. Ihre Arbeit wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
Elemente des Briefings
Beim Corporate Design geht es nicht nur darum, ein ästhetisches Erscheinungsbild zu erschaffen, sondern darum, Lösungen zu finden und Werte und Botschaften an die richtige Zielgruppe zu übermitteln.
Um diese Ziele klar und deutlich formulieren und verstehen zu können, ist es wichtig, die relevanten Informationen im Briefing auf den Tisch zu bringen. Das Briefing entspricht einer schriftlichen Fixierung der Aufgabenstellung, die von beiden Seiten (Unternehmen und Designer bzw. Designerin) unterschrieben wird.
Dabei geht es auch darum, Missverständnisse und unnötige Korrekturrunden zu vermeiden. Missverständnisse im frühen Designprozess können echte Motivationsdämpfer sein – man hat bereits Arbeit und Elan in das Projekt gesteckt, und beim nächsten Gespräch oder der ersten Zwischenpräsentation stellt sich heraus, dass die Aufgabenstellung nicht richtig kommuniziert oder verstanden wurde. Ein gutes Briefing hilft, das zu verhindern.
Das Briefing ermöglicht es Gestaltern und Gestalterinnen, die Ziele und Inhalte ihres Auftrags zu verstehen. Aber auch auf Seiten der Unternehmen spielt ein Briefing eine nicht zu unterschätzende Rolle: Oft wissen Auftraggeber und Auftraggeberinnen nämlich selbst nicht genau, wie ihr Unternehmen positioniert werden soll, welche Ziele mit dem Auftrag verfolgt werden sollen. Daher fällt Designer*innen hier häufig auch eine Beratungsrolle zu: Sie müssen dem Unternehmen bei der Übersetzung seiner Vorstellungen helfen.
Kleine Schritte
Ein Corporate-Design-Projekt muss nicht unbedingt schon zu Beginn einen großen Umfang aufweisen. In einigen Fällen ist es besser, sich zu Beginn auf einige wenige Aspekte der Gestaltungselemente zu konzentrieren. Vor allem bei der Erstellung eines Logos geht es darum, Ziele und Visionen auf den Punkt zu bringen und visuell darzustellen.
Die richtigen Fragen stellen
Eine Briefingrunde steht und fällt mit den richtigen Fragen, denn nur so ist es möglich, eine gute Grundlage für die spätere Gestaltungsarbeit zu legen. Ziel des Briefings ist ja, dass die Designseite das Unternehmen, die Marke und auch die Entscheider kennenlernt, um all dieses Hintergrundwissen in die Gestaltung des Corporate Designs einfließen lassen zu können. Aber auch die Entscheiderinnen sollen im Briefingprozess erfahren, was sie von der Designseite erwarten können bzw. wie die Arbeitsweise sein wird.
Beispiele für Inhalte und Fragen, die das Briefing beinhalten sollte, sind:
- Kontaktinformationen, Ansprechperson
- Geht es um ein bestehendes Unternehmen oder ein Startup? Wie groß ist das Unternehmen?
- Welche Produkte und Dienstleistungen werden angeboten?
- Welche konkurrierenden Unternehmen gibt es am Markt?
- Wie differenziert sich das Unternehmen von der Konkurrenz?
- Was ist das Alleinstellungsmerkmal?
- Wie sehen die langfristigen Ziele und Visionen des Unternehmens aus?
- Für welche Werte steht das Unternehmen? Was ist die Firmengeschichte?
- Wer sind die Wunschkunden und Wunschkundinnen? Wie sieht die Zielgruppe aus?
- Wie wird das Unternehmen von der Zielgruppe wahrgenommen?
- Besteht bereits ein Corporate Design? Falls ja, soll es komplett überarbeitet oder ergänzt werden? Wie sehen die Elemente des Corporate Designs aktuell aus?
- Welche Ziele sollen mit dem neuen Corporate Design erreicht werden?
- Welche Kommunikationskanäle werden aktuell benutzt?
- Welche Marketingmaßnahmen waren in der letzten Zeit besonders erfolgreich?
- Gibt es bereits Illustrationen oder Bilder, die auch in Zukunft zum Einsatz kommen sollen?
- Welches Timing ist für das Corporate Design geplant?
- Welches Budget steht zur Verfügung?
- Welchen Umfang soll das Corporate Design haben?
- Welche Besonderheiten sind zu beachten?
- Wurden bereits Workshops oder Recherchen zu den Anforderungen eingeleitet? Wie sehen die Ergebnisse aus?
Guideline
Für Designprojekte kann es sich lohnen, immer wiederkehrende grundlegende Fragen in einem Fragebogen zu sammeln und als Guideline für das Briefing zu verwenden.
Vorbereitende Maßnahmen
Die wichtigsten Fragen können auch vor den Briefinggesprächen an das beauftragende Unternehmen geschickt werden, um später im Briefing nicht ganz bei null anzufangen, sondern schon einige konkrete Gedanken zusammentragen zu können.
Das Briefing betrifft dabei nicht nur die Inhalte und Aufgabenstellungen, sondern auch organisatorische Eckpunkte, die vor dem Start eines Projekts festgelegt werden sollten. Dazu gehört beispielsweise der genaue Umfang des Projekts: Was wird geliefert und in welcher Ausführung? Wie ist der zeitliche Ablauf?
Timing
Neben den inhaltlichen Punkten ist ein für alle Beteiligten wichtiger organisatorischer Punkt des Briefings das Timing. Wenn Meilensteine und Abgabetermine dezidiert festgelegt werden, wissen alle Beteiligten genau, wann was geliefert werden muss. Das sind auf Seiten der Designerinnen und Designer die einzelnen Bestandteile des Projekts, auf Seiten des beauftragenden Unternehmens aber beispielsweise auch Inhalte und Informationen, die für die Konzeption und die Umsetzung des Corporate-Design-Projekts notwendig sind. Geht es beispielsweise darum, eine neue Website aufzusetzen, nützt es wenig, wenn Konzept und Design final sind, die Inhalte aber fehlen und sich die Umsetzung in weiter Ferne befindet.
Mithilfe einer Roadmap können Projektabschnitte in eine chronologische Abfolge gebracht werden und mit Auftraggeberinnen und Auftraggebern, Stakeholdern und Teammitgliedern geteilt werden.
Zu Umfang und Timing gehört auch die Festlegung von beinhalteten Korrekturrunden. Auch dann wissen alle Seiten ganz genau, mit welchem Aufwand zu rechnen ist und dass zusätzlicher Mehraufwand mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Motivationstool
Die Roadmap eines Projekts kann auch ein gutes Tool sein, um motiviert zu bleiben – Zwischenziele sind in greifbarer Nähe und können nach erfolgreichem Abschluss als kleine Erfolge zelebriert werden. So ist das Gefühl, »voranzukommen«, allgegenwärtig und es besteht keine Gefahr, dass sich Projekte endlos in die Länge ziehen.
Budget
Ebenfalls ein entscheidender Punkt für die Planung eines Corporate-Design-Projekts ist die Festlegung des Budgets. Für den weiteren erfolgreichen Projektverlauf ist ein ehrlicher Austausch zum angesetzten Budget im Vorfeld besonders wichtig. Je nach Situation kann dieser Punkt ausschlaggebend für das Zustandekommen des Projekts und seinen Umfang sein. Außerdem können auch hier Missverständnisse und Streitigkeiten durch klare Regeln vermieden werden.
Denn nur mit entsprechendem Budget können auch genügend Ressourcen zur Realisierung zur Verfügung gestellt werden. Denken Sie groß mag ja ein schöner und vielversprechender Ausgangspunkt sein, allerdings nur, wenn auch die Bezahlung dazu passt.
Das richtige Maß
Die Herausforderung beim Briefing ist, Anforderungen weder zu eng noch zu weit gefasst zu formulieren. Wichtig dabei ist immer, die Sicht des Gegenübers zu verstehen – gerade bei Unternehmen, die bisher wenige Berührungspunkte mit Design hatten, ist es nützlich, darauf zu achten, dass die wichtigsten Eckpunkte geklärt werden, um einen roten Faden im Projektverlauf zu behalten.
Zu eng gefasste Vorgaben lassen der Designseite wenig Spielraum, kreative Lösungen zu entwickeln und weiter zu denken als nur bis zur Erstellung eines ästhetischen Erscheinungsbildes. Zu unspezifische Briefings wie Sie machen das schon, wir vertrauen Ihnen da voll und ganz sind ebenfalls gefährlich. Denn es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass alle Beteiligten eine eigene Vorstellung vom Ergebnis des Projekts haben.
Digitale Meetings
Heutzutage ist es nicht immer nötig, Briefings und Workshops vor Ort abzuhalten. Durch die Weiterentwicklung von digitalen Kommunikationsmöglichkeiten wie Microsoft Teams oder Zoom ist es mittlerweile kein Problem mehr, auch über Kontinente hinweg miteinander zu kommunizieren und durch den geteilten Zugriff auf einen Datenpool für den gleichen Wissensstand zu sorgen. Auch wenn ein physisches Treffen sicherlich auch Vorteile mit sich bringt, können Briefinggespräche, Workshops und Feedbackrunden problemlos remote abgehalten werden.
Beteiligte
Am Briefing sollten in erster Linie die Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen des Projekts auf Unternehmensseite teilnehmen. Denn einerseits kann man dann davon ausgehen, dass die Ansprechpersonen genügend Insiderwissen mitbringen, um Probleme und Anforderungen zu kommunizieren, und andererseits können Fragen, die im Projektverlauf auftauchen, auf einem kürzeren Weg geklärt werden.
Weitere Beteiligte am Briefing können sein: Stakeholder, Marketingmanager, Expertinnen zu bestimmten Themen oder technischen Fragen (häufig Angestellte), Projektmanagerinnen, Moderatoren, Konzepter, Designerinnen oder Developer.
Checkliste für ein erfolgreiches Briefing
- Ziel und Nutzen des Projekts: Welche Vorteile versprechen sich Auftraggeber und Auftraggeberinnen vom Projekt, welche Ziele sollen erreicht werden?
- Zielgruppe: An wen soll sich die Ansprache richten?
- Bestandteile und Lieferumfang: Was sind die Aufgaben des Designers oder der Designerin und welche Informationen sind vom Unternehmen beizusteuern, um eine gute Umsetzung gewährleisten zu können?
- Vorgaben und Stolpersteine: Gibt es bereits Lösungsansätze, gibt es Vorbilder, Konkurrenz oder Probleme in der Geschichte der Außendarstellung des Unternehmens?
-
Meilensteine und Timing: Welche Etappen und Zwischenziele auf
dem Weg zum großen Ganzen sind sinnvoll? - Art der Lieferung: Was genau bekommen Auftraggeberinnen und Auftraggeber geliefert und in welcher Form?
- Stakeholder und Ansprechpersonen: Wer sind die Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen auf beiden Seiten (mit Kontaktdaten)?
- Budget: Nach dem verfügbaren Budget richtet sich der Leistungsumfang.
Nachdem die einzelnen Punkte der Briefing-Checkliste abgearbeitet sind, kann es losgehen mit dem eigentlichen Projekt. Ein intensiver Austausch im Vorfeld hat nicht nur den Vorteil, dass alle mit dem gleichen Wissensstand starten, sondern auch, dass dabei eine gute Vertrauensbasis geschaffen wird, die sich positiv auf den weiteren Projektverlauf auswirken kann.
Das Rebriefing
Der nächste Schritt nach dem Briefing ist das sogenannte Rebriefing. Mit dem Rebriefing wird der Abgleich eines gemeinsamen Verständnisses und Wissensstandes sichergestellt und schriftlich festgehalten. Das Rebriefing ist noch einmal eine weitere Instanz, um Missverständnisse auszuräumen und die allgemeine Erwartungshaltung klarzustellen.
Im Rebriefing wird kurz und prägnant formuliert, um welche Ziele es im Projekt geht, welche Probleme und welche Rahmenbedingungen bestehen. Es ist sozusagen eine sehr knappe Zusammenfassung, die noch einmal auf den Punkt bringt, was im Anforderungsworkshop oder Briefinggespräch besprochen wurde. Einschränkungen, zeitliche und organisatorische Planungen sollten ebenfalls Teil des Rebriefings sein.
Das Rebriefing wird dann mit der Unternehmensseite abgestimmt und allen am Projekt Beteiligten zur Verfügung gestellt, sodass eine gemeinsame Ausgangsposition vorliegt. Gibt es Einwände, wird an den geforderten Stellen nachjustiert.
Nachdem das Rebriefing abgestimmt wurde, bildet es die Grundlage für die Vorgaben und den Umfang des Projekts. So weiß jeder, mit welchem Aufwand gerechnet werden muss und welche Ressourcen notwendig sind, um die angestrebten Ziele in der gewünschten Zeit zu erreichen.
Was ist ein Rebriefing?
Ein Rebriefing wird in der Regel auf der Designseite erstellt. Darin wird das Briefing noch einmal aus Auftragnehmersicht interpretiert und bewertet, und es werden eigene Rückschlüsse gezogen. Das Rebriefing wird dann zur Abstimmung noch einmal allen Beteiligten vorgelegt.
Die anschließende Analysephase
Nach der Briefingphase folgt nun eine detaillierte Analysephase, in der eine Sensibilisierung für das Unternehmen entstehen soll, sich der Designer oder die Designerin eine Übersicht über die Markenarchitektur verschafft und Recherchen zu bisherigen Designs, Zielgruppen und Unternehmenszielen genauer betrachtet. Mehr zu den folgenden Phasen des Corporate-Design-Prozesses lesen Sie in Désirée Bergers umfassenden Handbuch zum Corporate Design.
Die Inhalte und Bilder auf dieser Seite stammen aus dem Buch »Corporate Design – Das umfassende Handbuch«.